Hallo zusammen,
nachdem ich aufgrund qualitativer Mängel (KFR und der Qualität des Triumphhändlers nun tatsächlich auf einen japanischen Vierzylinder gewechselt bin, möchte ich euch meine Erfahrungen nicht vorenthalten und einen kleinen Vergleich zwischen der Streety und der Suzie machen:

Motor
152PS gegen 130PS. Das hört sich nicht nach einem großen Unterschied an, dafür sind die 106nm gegen die 80nm schon eher spürbar. Der Suzukimotor zieht sowohl aus tiefen Drehzahlen (ab 2000 U/min) als auch in der für die Landstraße so wichtigen Drehzahlmitte deutlich stärker an. Und ab ca. 8000 U/min gibt es kein Halten mehr. Meine Güte, der zieht einem dermaßen die Arme lang. Die hat auch deutlich mehr Power als meine frühere Speed Triple S.
Von der Elastizität sind beide ähnlich, man kann zumindest unter Last alles von 2000 bis zur Maximaldrehzahl abrufen, ohne ein Ruckeln an der Kette zu spüren. Die Streety hat meiner Meinung nach eine leichte Anfahrschwäche. Da musst du schon mehr Gas geben, damit dir an der Ampel der Motor nicht aus Versehen abstirbt.
Die Suzie hat Gottseidank dieses elende KFR nicht, da macht es wirklich wieder Freude zu cruisen.

Vibrationen sind bei der Japanerin nur leicht, bei mir bei ca. 4500 U/min zu spüren, lustigerweise an der Sitzbank. Dagegen hat die Streety bei ca. 8000 U/min extrem starke Vibrationen am Lenker und an den Fussrasten gehabt. Höchstgeschwindigkeit sind 240 km/h bei der Japanerin (elektronisch abgeriegelt wie bei Triumph). Ich habs noch nicht getestet.
Man kann den Motor übrigens auch starten, ohne die Kupplung zu ziehen. Nett.

Getriebe
Die Streety ist deutlich kürzer übersetzt, aus diesem Grund schafft sie in diversen Fachzeitschriften ähnlich gute Durchzugswerte im 6. Gang wie die Suzuki. Dafür dreht die Triumph schon bei 100km/h ca. mit 5000 U/min. Die Schaltbarkeit ist bei beiden Modellen ähnlich gut, der Quickshifter ist bei der Suzuki noch besser und smoother. Egal ob mit oder ohne Gas, rauf oder runter, das funktioniert immer. Im so für die Landstraße wichtigen Bereich 50-120 im 2. Gang hat die Streety trotz kürzerer Übersetzung nicht den Hauch einer Chance.

Elektronik und Display
Da hat die Streety die Nase vorn. Die Suzuki hat keine 6-Achsen-IMU und daher kein schräglagenabhängiges ABS und Traktionskontrolle. Hab ich das bisher vermisst? NEIN. Ich fahre jetzt immer auf geringster Stufe der Traktionskontrolle/ABS und maximale Leistung beim Mapping. Die Elektronik funktioniert wirklich gut, man merkt nicht einmal, wenn sie ins Fahrverhalten eingreift. Das war bei der Triumph nicht der Fall, dort spürte man deutlich, wenn die Leistung gekappt wurde. Das Display der Suzuki entspricht genau meinen Vorstellungen. Alles sauber ablesbar, keine Mikroschrift, nichts verspielt. Alle wichtigen Informationen sind sofort erkennbar. Selbst die Steuerung des Displays ist ganz einfach gehalten. Ein Durchswitchen mit den Kippschaltern genügt zum Umschalten der Infos. Aber ich vermisse einen Außentemperatursensor. Der ist nur auf der Triumph verfügbar.

Ergonomie
Die Sitzposition ist entspannter als auf der Triumph, noch dazu komme ich mit beiden Füßen komplett auf den Boden (Sitzhöhe 810mm) - das konnte ich auf der Streety trotz der niedrigen Sitzbank (ebenfalls 810mm) nicht. Das Polster ist auf der Japanerin eine Spur bequemer, da sind lange Touren möglich. Insgesamt spüre ich weniger Druck auf den Handgelenken. Die Standardspiegel auf der Suzuki sind sehr gut, aus optischen Gründen wurden sie aber gegen Motogadget Lenkerendenspiegel getauscht. Der Knieschluss ist auf der Suzuki aufgrund des größeren Motors etwas weiter. Ist aber nicht unbequem. Ich konnte es mal mit einer Z900 vergleichen, da sitzt man deutlich gespreizter auf dem Motorrad.

Fahrwerk
Die Streety hatte das bisher beste Fahrwerk was ich gefahren bin. Vorne wie hinten absolut genial. Überrascht war ich vom Standardfahrwerk der Suzuki. Die Gabel vorne ist straff sportlich, hinten habe ich nur die Vorspannung um eine Stufe erhöht, dann hat alles gepasst. Wahrscheinlich kann man erst auf der Rennstrecke den Unterschied zwischen den beiden Fahrwerken rausfahren. Für den Alltag ist das japanische Werk absolut ausreichend. Die Einstellmöglichkeiten beider Fahrwerke sind vielfältig und sehr ähnlich.
Zum Fahrverhalten kann ich nur sagen: genial. Die Suzuki liegt wie ein Brett in den Kurven und liegt "satt" auf der Straße. Sie wirkt überhaupt nicht nervös oder kippelig. Ich glaub man könnte auch als Anfänger bedenkenlos mit ihr glücklich werden. Bei der Streety hast du immer gemerkt, dass das Bike am liebsten sofort auf die Rennstrecke abbiegen wollte.
Die Suzuki wird in den Test ja immer kritsiert, weil sie keinen 190/55er Hinterreifen, sondern einen 50er Querschnitt hat. Was wohl auf ein trägeres Verhalten schliessen lässt. Also ganz ehrlich: Ich merke da keinen Unterschied, vermutlich bin ich doch kein Profifahrer. Ich hatte mal eine S1000R BJ 2019 probegefahren - das war mal ein träges Verhalten im Vergleich mit der Streety.

Bremsen
Hier hat die Streety mit der Brembo Stylema uns seiner verstellbaren Bremspumpe Performancevorteile. Aber auch da wird man erst auf der Rennstrecke den Unterschied merken. Die Suzuki braucht etwas höhere Handkraft, die Dosierung gelingt etwas besser. Die Bremsleistung ist aber genau so gut. Der größte Vorteil der Suzuki: die Bremse quietscht nicht! Das hat mich an der Triumph echt genervt. Der größte Unterschied liegt in der Hinderradbremse. Die funktioniert im Gegensatz zur Triumph bei der Suzuki wirklich gut.

Licht
Beide haben ja volle LED-Beleuchtung. Was mich immer an der Triumph gestört hat, dass das Abblendlicht nur "einäugig" ist. Ich bin aus diesem Grund tagsüber nur mit dem TFL gefahren, weil es einfach dämlich ausschaut. Ok, man kann sagen "wenn ich auf dem Motorrad sitze, sehe ich das ja nicht. Also stört es mich auch nicht". Das Licht der Suzuki ist mit TFL immer an. Die Lichtausbeute beider Modelle ist ungefähr gleich. Die Standardblinker beider Modelle sind brauchbar.

Gewicht und Verbrauch
Das ist natürlich das Killerargument für die Triumph. Ca. 190kg gg. 214kg. Das merkt man natürlich in kleinen engen (Wechsel)Kurven. Beim Rangieren fällt der Unterschied bei mir nicht auf, da ich bei der Triumph mit den Füßen nicht ganz auf dem Boden kam (bin 175cm groß) und ich somit mit den Fußspitzen rangieren musste. Der Verbrauch ist beim Vierzylinder ca. einen halben Liter auf 100km höher. Ich hab mich jetzt auf 5.7L eingependelt. Durch den großen 19-Litertank komme ich auf ca. 350km Reichweite.

Sound
Die Streety war in niederen Drehzahlen sehr leise und obenraus hat sie mich angeschrien. Und sie war tiroltauglich. Das schafft die Suzuki nicht, sie reisst 96db die Tirolgrenze und hat gerade im mittleren Drehzahlbereich einen "kernigen" Sound. Um einiges intensiver als die Triumph. Gefällt mir.

Tuning und Zubehör
Die ECU der Triumph ist ja mittlerweile leider verschlüsselt, früher konnte man mit TuneECU noch selber an den Schräubchen drehen. Für die Suzie gibt es zumindest mal Dimsport, BDPerformance, Woolich Racing und noch einige mehr um (noch) mehr aus dem Motor rauszuholen bzw. die Fahrbarkeit zu verbessern. Der Zubehörmarkt ist seitens Triumph umfangreicher, der Aftermarket Bereich ist für beide Modelle vielfältig.

Preis, Qualität und laufende Kosten
Vom UVP her liegt die Suzuki um ca. 400 Euro höher. Mein Händler hat mir aber auf das neue Modell gleich von sich aus 1000 Euro Rabatt angeboten (Honda Hornet sei Dank). Die Werkstattkosten sind bei Suzuki um einiges günstiger, ebenso die Ersatzteile. Die Verarbeitung bei Triumph liegt noch auf einem höheren Level. Dafür scheint bei Triumph momentan der Rotstift an der falschen Stelle angesetzt zu werden. Sowohl hier wie im Nachbarforum T5net liest man über ähnliche Probleme mit dem KFR wie auch über schlechte Kettensätze.

Fazit
Ich hab den Markenwechsel keine Sekunde lang bereut und bin jetzt wieder ein glücklicher Motorradfahrer. Ich kann Luku verstehen, dass er lange auf der Suche nach dem passenden Bike war und jetzt wohl mit der GSX8S glücklich geworden ist (die war übrigens auch in der engen Auswahl, aber die Mehrleistung der 1000er hat den Ausschlag gegeben.) Zu mir möchte ich noch sagen, dass ich in einer Zeit aufgewachsen bin, als die japanischen 1000er das absolute Nonplusultra waren. Und meinen Kindheitstraum habe ich mir jetzt endlich erfüllt.
Das soll aber nicht heißen, das Triumph oder die Streety oder andere Modelle zukünftig nicht mehr in Frage kommen. Denn jedes Motorrad hat seine Berechtigung und seine Zeit.


VG

Oliver

lol